Kelter Kleinglattbach

You are currently viewing Kelter Kleinglattbach

Eine typische Kelter erwacht wieder

In unserer ländlichen, mit Streuobstwiesen übersäten Gegend, hatte beinahe jedes kleine Dorf seine kleine Kelter. Waren doch der Saft bzw. der vergorene Most oder Wein die Getränke die man selbst machen konnte. Sorten wurden eigens zum Vermosten gezüchtet und kultiviert. Die wenigsten dieser Sorten sind ein wirklicher Genuss für den heutigen Gaumen. Umgekehrt ist es aber ebenso: heutige Speiseäpfel wie Elstar, Braeburn und wie sie alle heißen ergeben selten einen guten Saft, da fehlt einfach das Aroma. 

Mit dem steigenden Angebot der Getränkeindustrie schwand auch immer mehr das Interesse am eigenen Saft. Ist dieser doch mit viel Aufwand und Pflege verbunden während man im Geschäft nur zugreifen muss. Auf den Streuobstwiesen sah man in den vergangenen Jahren immer mehr unbewirtschaftete Flächen, stattdessen griffen viele zum Saft aus dem Getränkemarkt und das reife Obst verblieb ungenutzt an den Bäumen. Nicht nur viel Obst blieb ungenutzt sondern ebenso die Keltern. So verwaisten auch immer mehr Gemeindekeltern und viele davon schlossen dabei endgültig die Tore. In unserem Kreis blieben von ursprünglich über zehn Keltern nur zwei übrig.

Mit dem Trend hin zur bewussten Ernährung, der Vermeidung von CO2 durch lange Transportwege oder dem ein oder anderen Skandal in der Lebensmittelbranche entdecken immer mehr Leute den eigenen Saft wieder. So sehen wir uns bestätigt, immer wieder in die kleine Kelter investiert und dadurch den Erhalt unserer kleinen Kelter gesichert zu haben.

Mittlerweile gibt es auch immer mehr private Saftmobile die in die Gemeinden kommen mit dem kleinen Nachteil, dass der beste Erntezeitpunkt nicht unbedingt mit dem Presstag übereinstimmt. Auch sind die meist genutzten Bandpressen nicht so effektiv wie unsere Packpresse mit der wir das volle Aroma und eine Saftausbeute zwischen 70 und 80% erreichen. Dafür braucht es etwas mehr Zeit. An Rekordtagen der letzten Jahre haben wir schon mal über 5000L pro Tag gepresst und davon 3200L in der Bag in Box Anlage abgefüllt. Ein paar Jahre davor, ohne Abfüllung, wurden teilweise in der kompletten Saison nur 5000L gepresst. Das Angebot um die Bag in Box Abfüllung zu erweitern war also ein voller Erfolg.

Wir erleben also im Moment die Trendumkehr und stoßen mittlerweile immer wieder an unsere Kapazitätsgrenzen. Da das Kelterteam die Saison neben dem eigentlichen Berufsleben stemmt und wir nicht unbedingt die schnellste Presse haben, sind wir in den Mengen etwas limitiert.  

Tradition braucht Pflege

Die bisherigen Investitionen haben wir in Form von viel persönlicher Freizeit in die betagte, aber bewährte Einrichtung gesteckt. Die Hersteller der Maschinen sind schon lange vom Markt verschwunden. Geht heute also mal etwas kaputt, so muss so gut wie alles speziell angefertigt werden und man kann nur selten auf Standards zurückgreifen.  

Als zB. die eichenen Kelterwägen nach vielen Jahren und unzähligen Reparaturen doch fällig wurden, hatten wir Angebote eingeholt. Leider alle finanziell jenseits von gut und böse, so dass wir beschlossen in Eigenregie neue Wannen aufzubauen und zunächst die alten Fahrgestelle zu nutzen. Ein flott zusammengestelltes „Expertenteam“ aus Schreiner, Stahlbauer und Mechaniker, hat dann statt der Eichenbohlen, mehrere Lagen Birke Siebdruckplatten zusammengesetzt, so dass wir auf eine Wandung von 50mm gekommen sind. Die Wanne selbst wurde dann zeitgemäß mit Edelstahl ausgekleidet. Geplant, finanziert und durchgeführt hat das komplette Vorhaben der Jugend und Freizeitclub Kleinglattbach als Dankeschön für die Gestattung zum Betrieb der Pasteurisierungsanlage. Schön wenn ein Dorf so funktioniert. 

2022 wurde der komplette Boden erneuert. 2023 soll der Boden eine Beschichtung bekommen und die Wägen zeitgemäße Rollen, da die vermutlich über 70 Jahre alten Eisenräder mittlerweile sehr ausgeschlagen sind. Ob die neuen Räder genau so lange halten…?